Sanierung von St. Viktor teurer als erwartet

„Schwerte ist nichts ohne St. Viktor“ ─ mit diesem starken Statement brachte Dr. Bettina Heine-Hippler von der oberen Denkmalbehörde direkt auf den Punkt, um was es geht. Gemeinsam mit der Evangelischen Kirchengemeinde und weiteren Verantwortlichen hatte sie zum Gespräch eingeladen, um über den Stand des Bauprojekts am Schwerter Wahrzeichen zu informieren. St. Viktor ist eine der bedeutendsten Kirchen des Mittelalters in Westfalen, für die Bürgerinnen und Bürger ein Orientierungspunkt und ein geistliches Zentrum. Doch dem historischen Bauwerk geht es nicht gut und die Kirchengemeinde ist dringend auf Unterstützung der Schwerterinnen und Schwerter angewiesen, um die Kirche zu erhalten.

„Die Schäden sind größer als gedacht“, betonte Dr. Heine-Hippler den Ernst der Lage. Sie ist verantwortlich für die praktische Denkmalpflege im Kreis Unna und seit 2013 mit St. Viktor befasst. Der Kirchengemeinde sprach sie zunächst ein großes Lob aus. Diese habe sich unglaublich ins Zeug gelegt und zahlreiche Bauvorhaben an der Marktkirche in Angriff genommen, unter anderem die Restauration des Antwerpener Altars und die Dachsanierung. Nun stehen die Außensanierung sowie die Sanierung des Turmhelms an. Üblicherweise sei eine Generation einer Gemeinde mit einer Baumaßnahme befasst, jede für sich genommen sei von überregionaler Bedeutung, so Heine-Hippler. „Die Bauaufgabe ist riesig.“

Eine echte Wahl hat die Kirchengemeinde nicht, denn die Arbeiten an der Kirche sind dringend. Wie dringend und umfangreich, das stellte sich erst im Laufe der Baumaßnahmen heraus. Betroffen sind vor allem zwei Punkte: Das Maßwerk und der Turmhelm.

Die Vierungen

Als Maßwerk wird die filigrane Arbeit der Steinmetze an Fenstern und Öffnungen bezeichnet, die einen wesentlichen Anteil am Charakter der Kirche hat und außerdem einen direkten Blick in die Vergangenheit ermöglicht. „Wir haben Maßwerke aus ganz unterschiedlichen Zeitschichten“, erklärt Dr. Heine-Hippler. Im Lauf der Jahrhunderte wurde die Kirche immer wieder in Stand gesetzt. Und alle Steinmetze hinterließen ihre Symbole in den Mauern.

Steinmetz Manuel Rosenthal erklärt die Arbeiten an den Fenstern von St. Viktor.

Dabei kamen ganz unterschiedliche Materialien zum Einsatz. Überwiegend handelt es sich um Sandstein. Genauer gesagt um „Baumberger Sandstein aus dem Münsterland“, erklärt Manuel Rosenthal von der Firma Naturstein Häder. Er ist der nächste aus der Reihe der Steinmetze, die ihren Beitrag zum Erhalt des Gotteshauses leisten. Im Gegensatz zum regionalen Ruhrsandstein, der ebenfalls in Teilen der Kirche verbaut ist, handelt es sich beim Baumberger Sandstein um einen relativ weichen Stein, der somit leichter zu bearbeiten war, erklärt der Experte. Genau das führt aber nun dazu, dass es Schäden an den Fenstern gibt.

Die durchaus elegante Lösung sind die sogenannten Vierungen, viereckige, steinerne Ersatzstücke, die an den beschädigten Stellen angebracht werden. In Handarbeit werden dafür die zu ersetzenden Teile abgebaut und Schablonen erstellt, mithilfe derer die Steinmetze dann die Vierungen fertigen, die wiederum an die Kirche festgeklebt werden. Dabei bleiben ca. zwei Drittel der Steine im Originalzustand erhalten. Eine dauerhafte und nachhaltige, jedoch auch verhältnismäßig teure Lösung.

Von etwa 70 notwendigen Vierungen war Architekt Christoph Harder im Vorfeld ausgegangen, jetzt sind es „deutlich mehr als 400“. Jede Vierung kostet dabei etwa 250 Euro, rechnet der Architekt vor. Allein für diese muss also eine sechsstellige Summe aufgebracht werden.

Der Turmhelm

Eine weitere Überraschung erlebte der Architekt beim Turmhelm. Dieser ist nämlich nicht fest gemacht, er steht lediglich auf dem Kirchturm. Dies wiederum bedeutet, dass das Gewicht der Schieferplatten benötigt wird, um die Konstruktion tragfähig zu halten. Eine einfache Deckung, wie ursprünglich geplant, komme daher nicht mehr in Frage, erklärt der Architekt, eine Doppeldeckung ist nötig, bei der – wie der Name schon sagt – immer zwei Schieferplatten versetzt übereinander liegen. Dies ergibt einen Preisunterschied von 120 Euro pro Quadratmeter, die Helmfläche ist 540 Quadratmeter groß.

Auch diese Arbeiten sind erstens dringend notwendig – seit den Großbränden im 17. Jahrhundert wurde der Turmhelm nicht mehr grundlegend saniert – und zweitens eine große Herausforderung. Aufgrund der luftigen Höhe, der schmalen Bauweise des Turms und der genannten Gewichts-Problematik. „Zu jedem Moment wird das Gewicht gebraucht“, erklärt Harder. Während das Dach teilweise freigelegt ist, wird deshalb das Gewicht der Glocken genutzt, um den Turmhelm zu halten.

„Wir werden nicht die letzten sein, die sich mit dem Helm befassen“, stellt Dr. Heine-Hippler mit Blick auf die Zukunft fest und fügt augenzwinkernd eine weitere Prognose hinzu: „Der Turm wird auch weiterhin schief bleiben“. Natürlich richtet sie den Blick auch auf die Vergangenheit und verspricht interessante und beeindruckende Erkenntnisse zur Baugeschichte St. Viktors. Der Öffentlichkeit sollen diese jedoch erst vorgestellt werden, wenn die Ergebnisse komplett sind.

Die Finanzierung

Bis dahin hoffen die Verantwortlichen auf die Solidarität und Unterstützung der Schwerter Bürgerinnen und Bürger, um die gestiegenen Baukosten decken zu können. Allein der zweite Bauabschnitt wird rund 900.000 Euro teurer als erwartet, fasst Finanzkirchmeister Ulrich Groth zusammen. Trotz umfangreicher Bundes- und Landesmittel und der Unterstützung durch den Kirchenkreis, den Förderverein und weitere Schwerter Organisationen muss deshalb noch viel Geld aufgebracht werden. „Wir rufen alle Schwerter dazu auf, etwas für ihr Wahrzeichen zu tun“, sagt Ulrich Groth.

Weitere Zahlen und Fakten:

Der erste Bauabschnitt kostete ca. 1,3 Millionen Euro, wovon 800.000 Euro aus Bundes- und Landesmitteln finanziert wurden. 400.000 Euro kamen von der Kirchengemeinde, der Rest vom Förderverein und weiteren Organisationen.

Der zweite Bauabschnitt kostet statt ursprünglich erwarteten 1,3 Millionen Euro nun 2,2 Millionen Euro.

Ein wesentlicher Teil der Sanierungskosten sind die Kosten für das Gerüst. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, möglichst viele Maßnahmen umsetzen zu können, wenn das Gerüst einmal steht.

Wenn alles nach Plan läuft, sollen die Arbeiten im September 2025 abgeschlossen sein.

Ulrich Groth (li.) und Ulrich Halbach präsentieren eine Schieferplatte, die gegen eine Spende erworben werden kann.

Die Gemeinde hat sich eine besondere Spendenaktion überlegt. Gegen eine Spende von mindestens 25 Euro können originale Schiefertafeln von St. Viktor mit Beschriftung erworben werden. Weitere Informationen: https://www.evangelische-kirche-schwerte.de/original-schiefertafeln-von-st-viktor-werden-beschriftet/

 

Text und Fotos: Tim Haacke, ev. Kirchenkreis Iserlohn